Der Fakultätentag Psychologie und die Deutsche Gesellschaft für Psychologie haben in einem ersten Stellungnahmeverfahren am 17.01.2022 die Möglichkeit wahrgenommen, der Bundespsychotherapeutenkammer zur geplanten Überarbeitung der MWBO zu Bereichserweiterungen in Psychotherapieverfahren, die für sie wichtigen Punkte mitzuteilen:
Wir danken allen Beteiligten für die Ausarbeitung der vorgelegten Überlegungen und den hohen Differenzierungsgrad der Vorlage. Wir möchten neben der fachlichen Einschätzung der vorgesehenen Regularien und Richtzahlen insbesondere auch auf die Vereinbarkeit von Weiterbildung und wissenschaftlicher Qualifikation (Promotion, Habilitation) eingehen. Die folgenden Punkte werden von uns als essentiell erachtet, um eine wissenschaftsnahe und zukunftsoffene MWBO sicherzustellen.
Zu Abschnitt C (Psychotherapieverfahren in Gebieten)
1. Berücksichtigung wissenschaftlicher Tätigkeiten: Wir begrüßen, dass wissenschaftliche Kenntnisse zumindest beim Teil „Tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie-Erwachsene“ aufgeführt wurden; dort werden „Fundierte Kenntnisse grundlegender psychodynamischer/ tiefenpsychologischer Theorien, ihrer Weiterentwicklungen und ihrer wissenschaftlichen Bewertung“ gefordert. Wir schlagen vor, dass diese Passage für alle Verfahren und Altersgruppen übernommen wird.
2. Für alle Verfahren und Gebiete sollte folgendes ergänzt werden: „Einsatz psychometrischer Instrumente als Werkzeuge zur Sicherung der Prozess- und Ergebnisqualität.“
3. Wir begrüßen, dass zumindest teilweise Wege zu einer verfahrensübergreifenden Flexibilisierung eingeschlagen werden. Wir schlagen vor, die folgenden Formulierungen, die bei der Tiefenpsychologischen Psychotherapie (S. 54) genannt werden, - nach entsprechender Prüfung durch die Verfahrensvertreter:innen – auch für die anderen Verfahren zu übernehmen:
(a) „Theoretische Grundlagen für die Fertigkeit, Techniken/Methoden anderer Verfahren auf Grundlage des [hier genannten] Verfahrens in den Behandlungsplan integrieren zu können.“
„(b) Verfahrensübergreifende theoretische Kenntnisse und praktische Kompetenzen, die in das jeweilige Verfahren integriert werden können.“
Abschnitt D (Bereiche als Zweitverfahren)
Hinsichtlich der Richtzahlen für den Erwerb einer weiteren Fachkunde kann nachvollzogen werden, dass im Einzelfall (hier: nach abgeschlossener Weiterbildung in TP oder AP) wechselweise Leistungen und Erfahrungen aus der ersten Bereichsvertiefung anerkannt werden. Eine generelle Herabsetzung der Richtzahlen beim Erwerb eines zweiten Verfahrens wird von uns aber unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten als nicht begründbar abgelehnt. Für den Erwerb der Fachkompetenzen in einem eher „fremden“ Verfahren braucht es für eine fundierte Weiterbildung den gesamten Umfang der verfahrensspezifischen theoretischen Weiterbildung (350 Stunden Theorie); alles andere unterläuft aus unserer Sicht das Ziel der Qualitätssicherung.
Wir halten es zudem für notwendig, dass bei den Richtzahlen für den Erwerb einer (weiteren) Fachkunde in Verhaltenstherapie die Anforderungen für die theoretischen und praktischen Bereichsweiterbildungen denen aus Teil C entsprechen, und insbesondere keine Unterschiede zwischen „Erwachsenen“ und „Kinder und Jugendlichen“ gemacht werden. Unterschiedliche Anforderungen für Erwachsene einerseits und Kinder und Jugendliche andererseits sind weder hinsichtlich der Anforderungen der theoretischen noch der praktischen Weiterbildung fachlich zu rechtfertigen. Die Anforderungen sollten daher sowohl für die Altersgruppe Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche wie in Teil C sein: 350 Stunden Theorie; 20 Behandlungen im Umfang zwischen 5 und 25 Stunden; 5 Behandlungen im Umfang von mindestens 30 Stunden.
Des Weiteren sollte auch für den Bereich der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen Gruppentherapie verpflichtend (und nicht nur optional) Teil der Anforderungen im Teil D sein.
Weitere Punkte
Kombination von Gebieten
Für eine zukunftsoffene Qualifizierung in Psychotherapie über Gebiete hinweg ist anzustreben, dass der Erwerb der Weiterbildung für Erwachsene sowie für Kinder/Jugendliche so weit wie fachlich möglich erleichtert wird. Dieser Kombination wird eine hohe Versorgungsrelevanz zugemessen. Dabei sollte – wenn rechtlich irgend möglich – auch eine parallele Gebietsweiterbildung spätestens ab der zweiten Hälfte der Weiterbildungszeit realisierbar sein.
Gebietsweiterbildungen im gleichen Richtlinienverfahren sollten durch eine fachlich gut begründbare Anrechnung aus dem jeweils anderen Gebiet ermöglicht werden. Dies betrifft zum Beispiel auch den Erwerb einer Doppelqualifikation mit einer verfahrensvergleichbaren Gebietsweiterbildung in Neuropsychologischer Psychotherapie.
Dabei schlagen wir die Anerkennung von
· 50 % der Richtzahlen Theorie
· 50 % der Richtzahlen Handlungskompetenzen vor.
Weiterhin sollten stationäre bzw. institutionelle Zeiten dann anerkannt werden, wenn diese zu 50 % der stationären/institutionellen Zeit in der ersten Gebietsweiterbildung in der Indikations-/ Altersgruppe des zweiten Gebietsweiterbildung absolviert wurden. Eine zusätzliche Selbsterfahrung ist u.E. nicht zu begründen. Diese von uns hier vorgeschlagene Regelung beruht auf erfolgreichen Erfahrungen mit den aktuellen Regelungen zur Doppelapprobation in verschiedenen Bundesländern (z.B. NRW; Baden-Württemberg).
Ergänzende Anregung zu Teil B (Gebiete)
Wissenschaftliche Kompetenzen in der Weiterbildung
Wir möchten auf ein sicherlich nicht gewolltes Fehlen von Hinweisen auf die Notwendigkeit der fortwährenden Kompetenzvermittlung von wissenschaftlichen Fertigkeiten in der Kompetenzliste in Teil B (Seite 16 ff) aufmerksam machen. Dies ist sowohl für das Selbstverständnis unseres akademischen Heilberufs als auch die Notwendigkeit der auf wissenschaftlicher Grundlage arbeitenden Therapeutinnen und Therapeuten notwendig. Wir werden versuchen, in Absprache mit Mitgliedern des DPT, den Landeskammern sowie einigen Psychotherapieverbänden diesbezüglich noch Veränderungen in der MWBO (Teil B) zur Abstimmung vorzuschlagen. Mögliche Ergänzungen der Kompetenzliste sind:
1. Beurteilung der wissenschaftlichen Evidenz psychotherapeutischer Interventionen und von Behandlungsleitlinien sowie deren Umsetzung in der psychotherapeutischen Praxis
2. Beurteilung wissenschaftlicher Studien zu Grundlagen psychischer Störungen und zur Evaluation und Anwendung psychotherapeutischer Interventionen sowie Berücksichtigung der Studienergebnisse in der psychotherapeutischen Praxis
3. Adaptation von wissenschaftlich fundierten Behandlungsleitlinien in der psychotherapeutischen Praxis
4. Qualitätssicherung und Evaluation der Psychotherapie
Zusammengefasst finden wir sowohl in den Abschnitten A und B, als auch in den hier vorgelegten Teilen, eine bessere Berücksichtigung wissenschaftlicher Inhalte während der Weiterbildung dringlich.
Institutionelle Einrichtungen
Wissenschaftliche Einrichtungen mit Beratungsangeboten sollten ebenfalls für institutionelle Zeiten anrechenbar sein
Flexibilisierung
Auch und gerade aufbauend auf den Erfahrungen in der Umsetzung der Approbationsordnung möchten wir dringend nahelegen, alle Regelungen nochmals dahingehend zu prüfen, inwiefern durch eine Flexibilisierung einzelner Vorgaben die Umsetzung erleichtert werden kann, ohne die Weiterbildungsqualität zu gefährden. So erscheint uns zum Beispiel die hohe Anforderung an stationäre Zeiten im Bereich Erwachsene auch im Vergleich zu den liberaleren Regelungen bei den anderen Gebieten (Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie, Neuropsychologische Psychotherapie) nicht begründet, und sollte zeitnah geändert werden. Interdisziplinäre Behandlungszentren mit Psychotherapie-Schwerpunkt könnten als mögliche Äquivalenz zu stationären Zeiten anrechenbar sein, wenn sie eine vernetzte Versorgung (mit anderen Versorgungseinheiten und Fachgebieten) sicherstellen. Dies sind nur zwei Beispiele für Flexibilisierungen, die unseres Erachtens ergänzt und umgesetzt werden sollten, auch um die Realisierbarkeit für die zu erwartenden hohen Kohortengrößen zu erreichen. Darüber hinaus würde auch die Möglichkeit der Anerkennung von 25%-Stellen in der stationären und institutionellen Weiterbildung die Flexibilität sowohl für die Weiterbildungsteilnehmer:innen als auch die einstellenden Institutionen erhöhen. Die DGPs weist zudem erneut darauf hin, dass unter wissenschaftlichen und fachlichen Gesichtspunkten eine 4-jährige Weiterbildung zum Erreichen der Weiterbildungsziele definitiv ausreichend wäre.
Prof. Dr. Markus Bühner, | Prof. Dr. Conny Antoni, | Prof. Dr. Winfried Rief, Sprecher der Kommission Psychologie und Psychotherapieausbildung |
Stellungnahme des FTPs und der DGPs als PDF
Siehe auch FTPs und DGPs zum 2. BPtK-Stellungnahmeverfahren zur MWBO vom 24.03.2022